Wir Kinder der Hölle Folge 001: Amelia und der Teufel

Einleitung: Ich möchte endlich an meinem neuen Buch weiterschreiben. Um wieder hineinzukommen redigiere ich momentan die alten Texte. Ich dachte mir, die überarbeitete Version hier wieder zu veröffentlichen. Vielleicht habt ihr ja auch Lust das Buch etwas mit zu lektorieren? Was meint ihr zu dieser Aktion? Hier für euch der erste überarbeitete Teil der Geschichte von Amy, Johnny und New York:

***

… Es scheint, dass Finstertal am Flammenberg ein Ort ist, an dem die Wände zwischen Diesseits und Jenseits sehr dünn sind…
Prof. Dr. Leonhart Hellwig


1989

1

Amelia und der Teufel

Als Amelia durch die Pforte der Kirche hinkte, dachte sie missmutig endgültig in der Hölle gelandet zu sein. Durch die schmalen Bleiglasfenster drang trübes Licht und der Staub tanzte träge durch die dunkle, alte Bergkapelle. Es roch nach abgestandenem Weihrauch und einige Kerzen flackerten traurig an der Seitenwand zum Altar. Amelia seufzte. Das hier war bestimmt nicht ihre Welt. Ihr lahmes Bein schmerzte von der kleinen Strecke, die sie von ihrer Dachkammer bis zu dieser Strafkapelle zurückgelegt hatte und ihr gesundes Auge zuckte nervös. Sie umfasste verkrampft den silbernen Knauf ihres Krückstocks.

Amelia drückte mit der rechten Schulter die schwere Eingangstür zu. Als die störrische Pforte endlich aufgab und mit einem dumpfen Schlag ins Schloss fiel, drehten sich zwei Gestalten zu ihr um. Zwei Jungen saßen auf den vorderen Gebetsbänken und beäugten sie neugierig. Amelia war offensichtlich ein Überraschungsgast für sie.
Den einen kannte sie entfernt; ein großer blonder Muskelprotz mit abstehenden Ohren, der mit seiner Bande am Brunnenplatz die Touristen anpöbelte. Wenn sie sich nicht täuschte, riefen seine Jungs ihn immer „den schrecklichen Johnny“.

Der andere, ein schmaler und bleicher Kerl mit langen rötlichen Haaren, war ihr unbekannt. Ihre Blicke fragten sie stumm, was sie, dieses fremde Mädchen mit der schwarzen Augenklappe und dem lahmen Bein, bei ihnen zu suchen hat. Sollen sie doch. Die fragenden Blicke war sie seit Monaten gewohnt.

Amy schlurfte schweigend am Weihwasserbecken vorbei in den kleinen Messeraum, welcher gerade mal sechs Bankreihen bis zum Altar maß. Sie fühlte sich unwohl, wäre am liebsten wieder weggerannt. Leider hatte sie keine Wahl bei dieser Sache. Das dumpfe Pochen ihres Holzstockes zerstörte die heilige Ruhe, welche die rustikale Bergkapelle auszustrahlen versuchte. Alte, tote Mäzene, die sich für Golddukaten einen Platz zwischen den Heiligen erkauft hatten, sahen streng zu ihr herab.

Amelia mit der Augenklappe setzte sich auf den Rand der hintersten Holzbank. Diese Kapelle war ihr zu klein; sie hätte gerne noch mehr Abstand zu den Jungs gehabt. Vor ihr in einer Ablage gammelten einige zerfledderte Bücher traurig vor sich hin. Gesangsbücher, gefüttert mit gepressten Heiligen, die nun als Lesezeichen dienten. Die brave Glaubensgemeinde vom Dörfchen Finstertal, in dem Amelia seit drei Wochen unter dem Dach ihrer kranken Großmutter lebte, kam hier jeden Sonntag zusammen und feierte die Auferstehung Christi. Oder was auch immer. Mit ihren dünnen Stimmchen sangen sie die Engel an, um sich so einen lauschigen Platz im Himmel zu sichern, der ja für die meisten von ihnen nicht mehr so weit entfernt war.

Naja, heute war glücklicherweise Samstag …

Sie legte den Krückstock neben sich auf die Bank, die Vertiefungen von den unzähligen Hintern aufwies, die sich im Laufe der Jahre hier demütig eingegraben hatten. 
Was sollte sie hier in dieser Kirche? Sie glaubte an nichts, außer an Schmerzen und Enttäuschung. Sie blickte finster auf das Kreuz mit dem gepeinigten Sohn Gottes, der, wie er es immer tat, über dem Altar hing und ihr Schuldgefühle für das grausame Leiden, das er für sie ertrug, einflößen wollte. 
Warum soll es ihm besser gehen, als mir…

Glauben ist für Menschen, die hoffen wollen - nicht für mich, dachte sich Amelia und streckte ihr krankes Bein zum Gang aus. Die Muskeln zuckten von der Anstrengung. Vielleicht würde es dem Bein besser gehen, wenn sie das Aufbautraining weiter verfolgen würde, dass man ihr nach dem Unfall verschrieben hatte. Aber darin sah sie genauso so wenig Sinn, wie geflügelte Menschen auf Wolken anzusingen.

„He, du da!“

Der große Blonde grinste sie arrogant über die Bankreihen hinweg an und offenbarte eine Lücke zwischen seinen oberen Schneidezähnen.

Fortsetzung folgt...



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